Rojava – ein Kollateralschaden in den Augen und im Vorhaben imperialistischer Akteur*innen

Es ist der Kapitalismus, der es geschafft hat das Profil des/der KosumentIn zu entwickeln, der/die in seinem/ihrem Konsum- und Verwertungsakt bzw. –wahn „frei“ zu sein glaubt. In Wirklichkeit hat eine Vereinheitlichung der individualisierten Gesellschaft im Profil der/des „KonsumentIn“ stattgefunden. Und doch gibt es Momente, in denen Menschen ihre Kraft in der Solidarisierung wiederfinden und im gemeinsamen Wirken aus diesem konstruierten Wahn, der nur einige Wenige in dieser Welt zu Reichen macht, die über Millionen Leben von Mensch und Natur verfügen, auszubrechen suchen (das reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt über die Hälfte des gesamten Weltvermögens).

Gegenwärtig erblühen gesellschaftliche Widerstände an verschiedenen Orten der Welt. Die sozialen Bewegungen von den Gelben Westen in Frankreich (2018), bis hin zu den Klimademonstrationen weltweit (2019), die jüngsten Aufstände im Nahen Osten (siehe Irak, Libanon), zuletzt Roj[ž]ava und gegenwärtig die Widerstände in Lateinamerika (siehe Chile, Bolivien, Ecuador) sind gleichzeitig eine Zeichensetzung und ein Aufruf für den Stopp gegen die zerstörerischen Ausformungen des kapitalistischen Systems. Die Widerstände und Kämpfe zeigen sich unter verschiedenen Rahmenbedingungen, in unterschiedlichen Kontexten und doch ist die Ursache aller gleich: die obsessive Wachstumsader des kapitalistischen Wirtschaftens und die ökonomische Profitgier dieser. Das Feuer der Widerstände scheint in den ersten Zeiten immer größer zu werden und doch geht sie immer wieder in das Stadium einer kleineren Flamme über und erblasst. Der Charakter eines gemeinsamen Weges scheint noch nicht gefunden zu sein…

In den europäischen Staaten gibt es noch das Funktionieren der sozialen Errungenschaften aus den ArbeiterInnenkämpfen des letzten Jahrhunderts, doch auch hier machen neoliberale Kürzungen nicht halt. Diese werden mittels Angstpolitik gegenüber die als „Ausländer*innen“, „Fremde“, „Migrant*innen“, „Flüchtlinge“ etc. mit einer strukturell-rassistischen Logik etikettierten und hierarchisch kategorisierten Menschengruppen durch die Gesamtgesellschaft bewusst oder unbewusst noch geduldet. Dass in Europa, das demokratische Staatsformen zu repräsentieren in der Welt sich aufgestellt hat, kulturelle Rassismen nach wie vor gut funktionieren, wird auch damit zu tun haben, dass es auch Europa geschafft hat Religionskriege über Jahrzehnte hinweg zu führen und es Europa ist, in dem die Nationalstaatsbildungsprozesse entlang „eine Sprache-ein Volk-eine Religion“ erfolgt sind und bis heute den Weltdiskurs dominieren. Die Existenz der Sowjetunion wurde im Rahmen der Arbeiter*innenkämpfe im globalen Westen gewisser Maßen als Druckmittel benutzt. Die heute noch bestehenden aber stets umkämpften Arbeiternehmer*innenrechte sind zu einem wichtigen Teil noch auf diese Zeit zurückzuführen.

In den durch weltkonjunkturell asymmetrischen Abhängigkeitsverhältnissen geplagten lateinamerikanischen Staaten zeigt sich der Kapitalismus um einiges härter, mit all seinen Ecken und Kanten, sodass die Arbeiter*innenkämpfe heute dort auf die Straße getragen werden. Die Lohnabhängigen fordern ein Leben in Würde, Lebensqualität und stellen sich gegen die Verteuerung des Lebens, die niedrigen Löhne und die prekären Arbeitsverhältnisse. Der Kontinent Afrika wird bis heute brutal durch die Konzerne und Lorde der Welt ausgeblutet (siehe neues Freihandelsabkommen 2019 und Ressourcenübermacht) – und es ist auch diese Verwertung, der unseren „Wohlstand“ im globalen Westen ermöglicht. Im Nahen Osten geht es hauptsächlich um die Ausbeutung der Energiequellen – und zur Gewährleistung dieser – die militärischen sowie politischen Hegemoniekämpfe imperialistisch agierender globaler Akteuer*innen, in (vormals) kolonialistisch aufgeteilten Räumen. Es sind diese imperialistisch gezeichneten Grenzen und das übernommene und/oder übertragene Modell des europäischen Nationalstaates, die Menschengruppen bis heute polarisieren und – auch in ihrer Eigendynamik bestehenden – Identitätskrisen instrumentalisieren und zum Schlachtfeld machen.

Dieser Text versucht die Weltsystempolitik imperialistischer Akteur*innen am Fallbeispiel von „Rojava“ zu skizzieren;

Die Stellvertreter*innenkriege und ihre Wurzel im Kolonialismus

Das Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 war eine geheime Übereinkunft zwischen den Regierungen Großbritanniens (Diplomat Sir Tatton Benvenuto Mark Sykes) und Frankreichs (Generalkonsul François Georges-Picot), in der sie ihre kolonialen Interessengebiete im Nahen Osten festgelegt hatten. Mit diesem Abkommen wurde Kurdistan in vier Teile (Türkei, İran, Irak, Syrien) geteilt. Davor wurde Kurdistan am 17. Mai 1639 mit dem Vertrag vom Zuhab (Qasr-e Schirin) zwischen dem Osmanischen und dem Persischen Reich geteilt.

Das, was sich bis heute im Nahen Osten abspielt ist vor allem auf die kolonialistische Aufteilung der Welt unter den globalen Akteur*innen zurück zu führen. Die kolonialherrschaftlich definierten Grenzziehungen bestärken wechselseitig die existierenden internen Machtkämpfe der lokalen Bevölkerungen. Die kolonialistischen Grenzziehungen erschweren bis heute den Ausstieg aus den imperialistisch definierten Spielregeln noch einmal und bewirken eine Art Teufelskreis im Nahen Osten, in dem kein Tag vergeht ohne, dass ein neues Ereignis provoziert wird. Interessant ist, dass nach zig-Jahren Erfahrung die sozioökonomisch schwächeren und feudal geprägten Schichten mit ethno- und religiös-nationalistischen Zugehörigkeiten durch lokale und globale Akteur*innen bis heute gegeneinander ausgespielt und gehetzt werden können und konnten, während die kurdische Feudalklasse anderen Absichten jenseits z.B. der kulturellen Rechte ihrer Völker nachliefen.

Es waren z.B. die kurdischen Feudalherren und Großgrundbesitzer, die sich gegen die Bildung eines kurdischen Nationalbewusstseins gestellt und sich als Nutznießer des Systems mit den zentralen Herrschaften verbündet und kooperiert haben. Die kurdische X[Ch]oybun (Dt. sich selbst sein)-Bewegung wurde durch die aus der Türkei geflüchteten Kurd*innen, wie die Brüder Celadet Ali Bedirx[ch]an und Kamuran Bedirx[ch]an, die später bei der Entwicklung der lateinischen Version des kurdischen Alphabets wirkten, im Jahre 1927 in Libanon gegründet. Die Xoybun leistete Zeit ihrer Existenz bis 1946 einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung und Pflege der kulturellen Rechte der Kurd*innen, jedoch waren die feudalen Strukturen für eine politische Umsetzung nationaler und autonomer Rechte zu stark. Es waren die kurdischen Feudalherren, die in Kompliz*innenschaft mit dem syrischen Regime gegen die Anliegen der von ihnen abhängigen und unterdrückten kurdischen Pächter*innen und Stämme agierten, die sie mit dem islamischen Glauben zügelten. Gleichzeitig waren es neben den Alawit*innen und Tscherkess*innne, die Kurde*innen, die durch die französische Kolonialherrschaft gegen die Gefahr des „sunnitisch-pan-arabistischen Gürtels“, in Militär- und anderen staatlich-bürokratischen Posten eingesetzt wurden. Einige Mitglieder der wohlhabenden Kurd*innen assimilierten sich innerhalb der arabischen Hegemonie und manche unter ihnen erhielten hohe Posten innerhalb des Staatsapparats, das sich das „laizistische“ Staatsmodell des Mustafa Kemal Atatürk zum Vorbild nahm (siehe „Geeinte Arabische Republik“ 1958-1961 unter Gamal Abdel Nasser; Syrien und Ägypten).

Der Deal unabhängiger kurdischer Abgeordneter im syrischen Parlament war stets die Bezeichnung „Kurdistan“ in jeglicher Hinsicht zu vermeiden und Bestreben einer Autonomie oder föderativer Lösung gar Bildung eines unabhängigen Staates strikt zu unterlassen. Das gleiche galt für die Syrisch-Kurdische Demokratie Partei (S-KDP), welche nach dem Vorbild der irakischen KDP mit der Unterstützung des Dschalal Talabani im Jahre 1957 gegründet wurde. Syrien hat – in der Idee „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ – die irakisch-kurdische Bewegung stets unterstützt, um Saddam Husseins Regime zu schwächen. Die Absicht war, außerdem das Interesse der syrischen Kurd*innen stets auf das Ausland zu lenken, um die Idee einer kurdischen Autonomie in Syrien gegenzusteuern. Die Verbote gegen die kulturellen Rechte der Kurd*innen wurden, je nachdem, wie sie die politischen Entwicklungen in Irak und in der Türkei zu eigenen Gunsten balancieren konnte, mal lockerer und mal strenger durchgesetzt. Die gleiche Taktik wendete Syrien auch für die Türkei an und umgekehrt, zumal sie Syrien ständig mit der Unterlassung der Öffnung der Wasserkraftwerke (GAP; Projekt Südostanatolien) und damit der Verhinderung der Wasserzufuhr (Fluss Euphirat) nach Syrien drohte. Zudem waren die internen kurdischen Kämpfe markant, in denen irakisch-kurdische Anführer wie Dschalal Talabani (1933-2017) und Mustafa Barzani (1903-1974) um die Führung kämpften. Diese Kämpfe waren durch wechselseitige Kollaborationen mit politischen Figuren wie Saddam Hussein (Irak) und Gamal Abdel Nasser (Ägypten) gezeichnet. Auch die Kurd*innen setzten das Spiel „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ weiter fort und belieferten die imperialistischen Absichten globaler Akteur*innen mit ausreichend Stoff zur Intervention. Eines von vielen Beispielen: Als Saddam Hussein Barzanis Wunsch Kirkuk der kurdischen Kontrolle zu übergeben nicht erfüllen wollte, wendete sich der Zweitere im Jahre 1974 dem US-amerikanischen Außenminister Henry Kissinger (geb. 1923) zu. Kissinger wollte den Irak unter Kontrolle wissen und rüstete die Kurd*innen mit schweren Waffen aus, um Druck auf Saddam Hussein auszuüben. Am Ende konnte Kissinger zwischen dem Iran und Irak zur Frage der Souveränitätsrechte über den Fluss Schatt-ul Arab, der zum Teil die Grenze dieser beiden Staaten bildet und eine bedeutende Wasserstraße für die Binnenschifffahrt beider Länder ist, vermitteln. Die US-amerikanisch vermittelte iranisch-irakische Übereinkunft dazu wurde im Juni 1975 in Algerien beschlossen. Die Talweglinie wurde als Grenze beschlossen und der Iran musste seine finanzielle Unterstützung für die Kurd*innen, die sowohl vom Iran, als auch von den USA sowie Syrien als Druckmittel gegen Saddam Hussein verwendet wurden, einstellen. Trotz aller Annäherungsversuche der Kurd*innen an die USA, gingen sie in ihren Wünschen über die Kontroll- und Verwaltungsrechte über Kirkuk leer aus.

Die Idee „der Feind meines Feines ist mein Freund“ ist besonders markant für den Nahen Osten, die bis heute unter der kolonialistischen Grenzziehung leidet und insgesamt gehören die Kurd*innen zu jener Gruppe, die auch im Zuge ihrer feudal geprägten Machtkämpfe die Nationalstaatsbildungsprozesse des 20. Jahrhunderts gewaltig verpasst haben. Alle vier Staaten, die Türkei, der Iran, Irak und das Syrien sind sich einige darin, die kurdischen Autonomiebestrebungen stets in Schach zu halten und benutzen die Kurd*innenfrage in den Nachbar*innenländern stets zur Unterdrückung der “eigenen” Kurd*innen. Bis heute sind Kurd*innen zum Spielball unter den hiesigen Staaten im Diskurs der Hegemoniekämpfe imperialistischer Akteur*innen. Sie scheinen ausweglos zu sein, zumal ihre Autonomiebestrebungen für lokale und globale Akteur*innen in der Region das Konflikt- und Interventionspotential aufrecht hält.

Die Idee einer Selbstverwaltung „Rojava“

Syrien wurde im Jahre 1946 zum Nationalstaat erklärt und bei der Volkszählung im Jahre 1962 sollen alle jene Kurd*innen, die noch vor 1945 nach Syrien eingewandert sind, die Staatsbürgerschaft und Personalausweise gekriegt haben. Der Human Rights Watch (Syria: The Silenced Kurds) veröffentlichte im Jahr 1997, dass z.B. in Afrin die kurdischen Ortsnamen arabisiert wurden. 1992 wurde in Haseke die Vergabe von kurdischen Personennamen verboten. 1994 mussten die Namen der Unternehmen von Kurdisch in Arabisch übersetzt werden. 1986 wurde die Verwendung der kurdischen Sprache an Arbeitsplätzen verboten. 1988 wurden in Festen und Zeremonien auch keine kurdische Musik mehr erlaubt.

Die sozioökonomisch schwächeren Schichten der äußerst feudal geprägten kurdischen Gesellschaft in Syrien organisierten sich zu großen Teilen in der Syrisch-Kommunistischen Partei, die erst 1954 den parlamentarischen Einzug schaffte. Die Idee der „Selbstbestimmungsrechte der Völker“ wurde von der kurdischen Arbeiterpartei, die PKK getragen und propagiert, womit eine erste ideologische Perspektive entwickelt war und damit sie großen Zulauf von jungen Kurd*innen kriegte.

Als nach der US-Invasion im Jahre 2003 die autonome Region Kurdistan in Nord-Irak ausgerufen wurde, wurde auch die Idee einer kurdischen Autonomie in Syrien immer lauter. Im Jahre 2003 wurde das soziale und politische Erbe der PKK in Syrien durch die “Kurdische Partei für Einheit und Demokratie“, PYD übernommen und damit der Einfluss der irakischen Kurdisch Demokratische Partei, KDP geschwächt und die Idee einer syrisch-kurdischen Autonomie „Rojava“ gestärkt.

Zurück zum Anfang..?

Am 17. März 2016 wurde die demokratisch-autonome Föderation Rojava in Nordsyrien durch Sprecher*innen kurdischer, assyrisch-aramäischer, arabischer und turkmenischer Volksgruppen ausgerufen. Das Projekt dieser Selbstverwaltung befindet sich geographisch horizontal vom Osten des Flusses Euphirat bis zur irakisch-syrischen Grenze etwa 455 km und vertikal 30 km von der türkisch-syrischen Grenze im Norden gen Süden. Rojava umfasste Schätzungen zufolge eine Bevölkerungszahl von an die fünf Millionen.

Die tagelang andauernden türkischen Luftangriffe trieben über 350.000 Menschen in die Flucht und hunderte Menschen, Frauen und Kinder in den Tod. Die türkischen Kampfflugzeuge bombardierten Wasserdepots, Straßen, Gesundheitszentren und sorgten dafür, dass an die 7000 IS-Kämpfer aus den Gefangenenlagern der kurdischen Selbstverwaltung ausbrachen und heute auf freiem Fuß sind. Wie schon im türkischen Einmarsch 2016 und den ethnischen Säuberungen in Afrin 2018 kooperierte das AKP-Regime mit islamistischen Paramilitärs der Milizen Ahrar-al SchamAhrar-al-SharaqiyaIS und al-Nusra. Mit ihnen kooperierend ist die Türkei heute abermals am brutalen Tod von zig Menschen wie die 34 Jahre junge kurdische Politikerin Hevrin Khalaf verantwortlich.

Heute befinden sich Schätzungen zufolge etwa 100.000 Dschihadisten in der Türkei auf freiem Fuß. Es ist bekannt, dass diese Zeit ihrer Mordtaten in Syrien logistische, militärische und finanzielle Unterstützung von der Türkei kriegte. Türkische Journalist*innen, die diese Tatsachen veröffentlichten mussten das Land verlassen und ein Leben in Exil wählen.

Die USA und Russland haben sich Anfang Oktober 2019 zurückgezogen und der Türkei „grünes Licht“ für ihre zunächst als „begrenzt“ definierten Einmarsch gegeben. Dieser Einmarsch sollte – allem Anschein nach – die Dominosteine ins Fallen bringen. Als die Türkei nämlich – wie geplant und erwartet – zu weit ging, schickten die USA den Vizepräsidenten Mike Pence nach Ankara. Damit wurde die In-Stichlassung der Kurd*innen durch die USA besiegelt. Als Pence mit Ankara eine Abmachung traf, in der er sich klar neben dem Nato-Verbündeten die Türkei stellte, waren die Kurd*innen kurzerhand dazu gezwungen sich Assad zuzuwenden. Da schaltete sich Russland ein und übernahm die Rolle des Vermittlers zwischen Assad und den kurdischen Volksverteidigungseinheiten, YPG/YPJ. Letztendlich einigten sich beide Parteien, dass die YPG/YPJ sich als die fünfte Kompanie in die syrische Armee integrieren wird. Das Ergebnis sieht zunächst so aus, dass die syrischen Kurd*innen wieder ungefähr dort sind, wo sie vor Rojava gewesen sind…

Frage der Machverfügung über die Energiequellen und militärische sowie politische Hegemoniekämpfe zur Kontrolle dieser…

Die Selbstverwaltung Rojava wurde durch die zahlenmäßig stärkeren kurdischen Kämpfer*innen in den Reihen der YPG/YPJ hart erkämpft. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten wurden durch die globalen Mächte massiv mit Waffen beliefert, allen voran durch die USA. Die Kurd*innen vollrichteten die sogenannte „Drecksarbeit“ für die Befreiung der Region von – durch die imperialistischen Mächte aus dem Boden gestampften“ (aus den verschiedensten Regionen der Welt importierten Söldnern und Mördern gebildeten) Dschihadisten und als Gegenleistung wurde ihr Projekt Rojava wohl eine Zeit lang – als ein unerwünschtes Nebenprodukt, sprich Kollateralschaden im Krieg – geduldet. Doch der neoliberal-kapitalistisch definierte Weltdiskurs duldete ein alternatives Modell mit demokratisch autonomer Selbstverwaltung nicht ewig, zumal diese für verschiedene Volksgruppen dieser Welt Vorbildrolle spielen konnte/könnte sowie die Idee „eine andere Welt ist möglich“ motivierte. Rojava wurde durch diese Entscheidungsträger*innen der Welt wieder dem Boden gleichgemacht.

Andererseits, hätte der imperialistische Hegemoniekampf in Syrien auch ohne die Heroisierung der kurdischen Kämpfer*innen nicht besser an die Weltöffentlichkeit verkauft und vor diesen legitimiert werden können. Nichtsdestotrotz soll ein Punkt in diesem Text zunächst berührt werden; Die „westliche“ Instrumentalisierung militarisierter Frauen zur Befreiung der Nation als einen feministischen Erfolg zu verkaufen, scheint zu kurz zu kommen und hier deckt sich ein spannendes Untersuchungsfeld auf.

Die Methode der Erschaffung von Terrormilizen, die stellvertretend Unruhe und Chaos schafften, um am Ende von den gleichen Entscheidungsträger*innen wieder eliminiert zu werden, kennen wir bereits im Fall von Afghanistan mit den Taliban (gegr. 1994) und Osama bin Laden (1957-2011). So wurde am 28.10.2019 der Anführer der IS, El-Baghdadi in einem türkisch kontrollierten Dorf von den USA – ohne Gericht und Urteil – direkt ermordet.

Laut dem Weltenergiequellenrat (World Energy Focus) verfügt Syrien über 2,5 Milliarden Fass an Erdöl-Reservoirs. Der Vorsitzende der syrischen Industriellenvereinigung erklärte auf seiner persönlichen Facebookseite, dass Syrien über 240 Milliarden Kubikmeter Erdgas-Reservoirs verfügt. Rojava ist jene, Region, in der diese Energiequellen zu hohen Prozenten vorhanden sind.

Während Russland über das Fosfat (vor 2011 3,5 Millionen Tonnen) im Land verfügt, herrscht die Türkei über Olivenöl (vor 2011 1,2 Millionen Tonnen) und die USA über Erdöl und Erdgas, denn die USA haben sich in Wirklichkeit nicht zurückgezogen, wie sie dies vor 10. Oktober 2019 verkündet hatten. Sie sendet, seit der zwischen Russland, den USA und der Türkei einvernehmlich verhandelten zunächst Stilllegung der Invasion, noch mehr Soldaten in die Region, und „wacht“ jetzt wieder über die Energiequellen. Die Türkei setzt ihre ethnische Säuberung weiter fort, weil sie die syrischen Flüchtlinge im Land im Rahmen eines Bevölkerungsingenieurwesens wieder nach Syrien umsiedeln möchte. Dabei tretet sie äußerst kolonialistisch auf als sie türkische Flaggen und Behördenbenennungen verwendet, wodurch die Expansionsabsichten des Landes wieder deutlich werden.

Die Rohstoffreservoirs Syriens sind nicht so üppig wie im Irak oder dem Iran, doch hat Syrien zwei wichtige Eigenschaften, die zu verschiedenen Zwecken in der Region eingesetzt und verwendet werden: Syrien verfügt über eine multikulturelle Bevölkerung mit nicht-sunnitischen Gruppen in der Staatsbürokratie und kann als Korridor für die Mittelmeerzugänge benutzt werden. Diese Punkte werfen Licht auf die militärischen und politischen Kontrolleinsätze imperialistischer Akteur*innen.

Heute erklärt der Führer der Türkei, dass sie als Nato-Verbündete das Recht dazu hätten, die schweren Waffen, mit der die kurdischen Kämpfer*innen im Kampf gegen den IS-Terror ausgestattet wurden, gerne übernehmen können. Gleichzeitig erklärt sich die Türkei bereit dazu am Wiederaufbau mitzuwirken, was wiederum einen guten Absatzmarkt auch für einige europäische Nutznießer am globalen Imperialismus zu Gute kommen wird. Auch im Ex-Jugoslawienkrieg, war es die EU, die am Ende gekommen ist und am Wiederaufbau mitgewirkt hat. Die Rojava Invasion hat unter anderem noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie es mit der EU-Außenpolitik steht, die für viele Menschen aktuell nur zum fremdschämen ist. Die offenen Aussagen Donald Trumps, dass z.B. die Flüchtlinge EUs Probleme sein werden, zeigten abermals, dass eine geschwächte EU einem USA weltsystemisch gesehen auch von Interesse ist. Hinweise dazu können auch aus dem Zweiten divide-et-impera Krieg entnommen werden…

Zur Deutlichmachung imperialistischer Bestrebungen der Etablierung und Verfestigung hegemonialer Vormachtstellungen in Syrien – Beispiel: der Afrin-Einmarsch

Die IS-Invasion des irakisch-Musul im Juli 2014 gab den USA die Gelegenheit sich in Syrien stärker zu positionieren. Damit förderte sie immer mehr den Dialog mit den lokalen kurdischen Kräften (YPG/YPJ), die im Kampf gegen die islamischen Terrorgruppen im Irak und in Syrien, eingesetzt werden konnten.

Im Zuge des Kobane Widerstands (2014) wurden die kurdischen Kämpfer*innen durch die USA mit schweren Kriegswaffen ausgestattet und in Rojava wurden US-Militärstützpunkte aufgestellt. Damit errangen sich die USA bessere Karten im Hegemoniekampf gegen Russland in Syrien. Syrien ist außerhalb der Sowjetherrschaft, das einzige Land, in der sich russische Stützpunkte befanden. Der Stellvertreterkrieg, der 2011 startete, gewann mit dem Eingriff Russlands im September 2015 eine andere Wende.

2017 erklärte Russland, in der Absicht, dass die USA das nachmachen würde, dass sie sich zurückziehen würde, doch die USA gaben bekannt, dass sie für die Stabilität in der Region ihre Zusammenarbeit mit den YPG weiterfortsetzen wollten. Damit erklärte das Syrienregime zum ersten Mal die kurdischen Kämpfer*innen zu Staatsverrätern und die Diskrepanz zwischen den USA und das pro-syrische Russland nahm zu.

Je mehr die kurdischen Kämpfer*innen mit dem Rückhalt durch die USA an Stabiltät in der Region gewannen, desto stärker wurde die Unruhe in der Türkei, die jeden kurdischen Erfolg in Syrien als Problem für ihre Innenpolitik und eigene Kurd*innenfrage interpretierte.

Während die USA die Kurd*innen dazu einsetzten, um ihr Dasein in Syrien zu legitimieren, wollten die Zweiteren diese Gelegenheit dazu nutzen, um bessere Karten für die Durchsetzung einer föderativen Lösung in Syrien gegen die Interessen des von Russland gestützten Assad-Regimes zu erringen. Russland allerdings wollte ein geeinigtes Syrien ohne Einfluss der USA und die Kurd*innen unter eigene Kontrolle bringen. Währenddessen suchte die Türkei immer mehr den Dialog zu Iran und Russland, je mehr sich die USA den Kurd*innen näherte. Die Kriterien einer Russland-Iran-Türkei Kooperation unter anderem für die Sicherung von Schutzzonen wurden im September 2017 im “Astana Abkommen” in Kasachstan vereinbart.

Afrin war der einzige Kanton, in dem Russland mit den Kurd*innen in Kooperation war. Je mehr sich die Kurd*innen den USA näherten, umso mehr gab Russland dem Eingriffsdrang der Türkei grünes Licht. Russland suchte bereits damals nach Gelegenheiten, um die Türkei in eine Zwickmühle mit den USA zu bringen, um damit auch die Türkei-gestützten Dschihadisten mit US-amerikanischer Hand zu eliminieren.

Die Türkei wollte die US-gestützten Erfolge der Kurd*innen schwächen und besetzte die Region von Dscherablus bis Reyhanli mit Dschihadisten. Die USA erklärte daraufhin, dass sie mit der Syrisch-Demokratischen-Front (SDF), dessen größtes Mitglied die kurdische YPG/YPJ ist, eine 30.000 Personen starke Gruppe als Grenzsicherheitstruppe einsetzen würde und von diesem Vorhaben seien Russland und die Türkei ausgeschlossen. Gleichzeitig erklärten die USA, den Afrin-Eingriff der Türkei zum “Problem Russlands”. Damit gingen die Russen mit ihrer Idee, dass die Türkei in einen Disput mit den USA kommen würde und die Kurd*innen sich ihnen annähern würden zunächst leer aus.

Afrin wurde durch den Einsatz des AKP-Regimes gemeinsam mit ihren IS-Terrormilizen zur Hölle gemacht. 72 türkische Kampfflugzeuge bombardierten Afrin nieder und die türkischen Schlagzeilen schrieben: “Wir schreiben eine Sage in Afrin”.

Als die Türkei erklärte, dass sie als nächstes Menbic angreifen wollten, wurde sie am 15.02.2018 mit einem Besuch vom US-Außenminister Tillerson überrascht, womit dann letztendlich eine gemeinsame “Kommission zu Menbic” gegründet wurde und der Kampf gegen – zur Beruhigung der Türkei – die als Terrororganisation bezeichneten PKK auch festgehalten wurde. Unter anderem sollten die USA der Türkei regelmäßig Auskünfte über die PKK übermitteln.

Als dann am 21.02.2018 die syrischen Regimetruppen mit Unterstützung des Iran in Afrin einmarschieren wollten, schaltete sich der russische Außenminister Lavrov ein und erteilte Syrien den Auftrag mit den Kurd*innen in Dialog zu gehen. Damals gingen die Kurd*innen auf diesen Deal nicht ein…

Die Rojava-Invasion und der Status quo

Am 10. Oktober 2019 wurde die Weltöffentlichkeit mit der Rojava-Invasion durch die Türkei überrascht. Das, was als eine Überraschung für die Welt sich zeigte, wurde Wochen und Monate zuvor in der Türkei propagiert. Während die türkischen mainstream-Medien den Einmarsch der Türkei in Syrien heroisierend und unterstützend lauthals propagierten, wurden nach und nach kritische Stimmen hörbar. Reflektierte Journalist*innen konnten weder die Argumentation der „Absicherung der Grenzen vor Terroristen“ verstehen, noch konnten sie sich erklären, wie und warum die Türkei diesen Schritt tat. Noch interessanter war es für diese kritischen Beobachter*innen, dass die internationalen Mächte wie die USA und Russland sich zurückzogen und die Türkei sozusagen „machen ließen“, doch warum?

Einige spekulierten mit jedem vergehenden Tag der türkischen Invasion damit, dass die Türkei durch die imperialistischen globalen Akteur*innen der Welt mit gut durchdachten Schachzügen in ein übles Spiel hineingezogen wurde. Einige – selbst kemalistische – Journalist*innen, die die syrisch-kurdische Partei, PYD und die Volksverteidigungseinheiten der YPG/YPJ als die Schwesterorganisationen der kurdischen Arbeiterpartei PKK sahen und daher stigmatisierten, gaben folgenden Punkt zu bedenken: Weder die PYD noch YPG/YPJ haben jeglichen Angriff auf die Türkei verübt?

Auch dieses Mal willigte die so genannte Opposition vertreten durch die Republikanische Volkspartei (CHP) und der Rest unter dem Vorwand des „Kampfes für das Vaterland“ und die „Sicherheit“ dieser für die Invasion ein. Einzig die pro-kurdische Demokratische Partei der Völker, HDP positionierte sich gegen einen Invasionskrieg in Syrien. Die Verhaftungen der Sprecher*innen der HDP ließen nicht lange auf sich warten. Immer mehr wurden Menschen, die sich gegen diese Invasion äußerten mit Polizeirazzia konfrontiert und in Untersuchungshaft genommen. Selbst Facebook-Einträge wurden ins Visier genommen und blieben nicht ohne Konsequenzen.

Die durch das Regime gleichgeschalteten Medien propagierten einen „nationalen Krieg“ und ließen keinen Raum für die Frage: gegen wen denn? Lediglich ein bis zwei kritische Medien, die kemalistisch ausgerichtet sind und über die Spenden ihrer Mitglieder und Sympathisant*innen finanziert werden, versuchten von Tag zu Tag immer mehr Klarheit für die Hintergründe der türkischen Invasion in Syrien zu gewinnen. Dabei definierten sie eine eindeutige Haltung gegen diesen einseitigen Krieg. Letztendes kamen sie zum Schluss, dass die Frage der Sicherheit der Grenzen zwischen den betroffenen Staaten in Dialogprozessen und Abmachungen zwischen diesen selbst ausgehandelt werden muss. Sie riefen die Türkei vehement dazu auf in Dialog mit Syrien zu treten, zumal das „Adana Abkommen“ von 1999 die Regelungen zur syrisch-türkischen Grenzabsicherung behandelte, in dem Baschar al-Assad die Aufgabe des Schutzes der Grenze von Syrien aus übernommen hatte.

Eine Invasion zur Absicherung der Grenzen interpretierten die hiesigen Journalist*innen und Politiker*innen nicht nur für haltlos, sondern auch für völkerrechtswidrig. Sie versuchten tagelang mit allen Mitteln die türkische Öffentlichkeit, die durch die mainstream-Medien gewürgt und manipuliert wurde, aufzuklären und das Staatsapparat, das seit siebzehn Jahren durch das AKP-Regime gelenkt wird, von ihrem „Fehler“ abzuwenden. Ihre größte Sorge lag darin, dass die Türkei in der Weltöffentlichkeit letztendlich als Verbrecher gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrecher schlechthin dargestellt und so in die Geschichtsbücher eingehen würde. In ihrer Verzweiflung trennten sie in ihrer Argumentation sogar das AKP-Regime vom türkischen Staat und sagten, dass das eine Tat ist, die vom AKP-Regime ohne Zustimmung der türkischen Bevölkerung getragen wird. Der Text soll auch unterstreichen, dass die ständigen Einmärsche der Türkei in Syrien, keine AKP-Eigenart sind, sondern sehr wohl mit dem Staatsparadigma an sich zusammenhängen.

Was wollte und will die Türkei?

Als Nato-Verbündete möchte auch die Türkei in den imperialistischen Machtakten mitmischen. Dabei wendet sie die gleichen Taktiken an, wie die globalen Akteure dieser Welt.

Während auch Trump von den Innenpolitischen Herausforderungen und Niederlagen stets mit US-amerikanischer Außenpolitik ablenken möchte, trägt diese Idee für die Türkei gleichermaßen Gültigkeit. Mit nationalistischen und religiösen Motiven wird die Einheit der Nation diktiert und von den eigentlichen sozio-ökonomischen und politischen Problemen im Land abgelenkt. Angesichts der anstehenden Wahlen in der Türkei, der sozioökonomischen Herausforderungen im Land und aber den schwächeren Ergebnissen in den Umfragen für Erdogans Regime, möchte sich der Letztere abermals als starker Führer positionieren sowie jegliche Lösungsansätze in der Kurd*innenfrage und damit verbundener Demokratisierung, der den Menschen wieder mehr Mitbestimmungsrechte im Land ermöglichen würde, weiter blockieren.

Jeder Erfolg für die kurdischen Bewegungen in den anderen Teilen Kurdistans (Iran, Irak, Syrien) ist eine Motivation mehr für die kurdische Bewegung in der Türkei, vor allem aber ein massiver Störfaktor für den Staat selbst, der Kontrollverlust und Schwächung gegenüber den imperialistischen Plänen der Weltmächte befürchtet. Der Vertrag von Sèvres, der am 10. August 1920 zwischen den Sieger*innenmächten des Ersten divide-et-impera-krieges (1914-1918; für die Türkei 1922) und dem Osmanischen Reich unterzeichnet wurde, ist bis heute der größte Alptraum des türkischen Staatsparadigmas und von diesem wechselseitig geprägten türkischen Nationalist*innen.

Die Ermordung von Kurd*innen in Syrien ist eine türkisch-staatliche Zurechtweisung der Kurd*innen im eigenen Land, die Türkei. Nach dem gleichen Schema arbeitet der Iran, der ebenso über eine kurdische Bevölkerung verfügt, die sie seit Jahrzehnten zu verstummen und unterdrücken sucht. Insofern sind die Syrien-Einmärsche der letzten Jahre und die Unterstützung dieser AKP-Regierung motivierten Schritte durch die türkisch-politische Opposition genau in der Linie des türkischen Staatsparadigmas zu lesen. Mit jeder kriegerischen Handlung und militärischen Angriffen auf die Kurd*innen im In- und Ausland werden die türkisch-nationalistischen Habitus‘ gestärkt, genährt und abermals zementiert.

Ausblick

Die kritischen Journalist*innen in der Türkei scheinen sich mittlerweile darüber einig zu sein, dass die Türkei durch die globalen Akteure in ein übles Spiel hineingezogen wurde, um die Situation in Syrien ungefähr dorthin zu bringen, wo sie vor dem Stellvertreterkrieg gewesen war. Als Ergebnis haben wir nun

  1. ein Rojava, das von Kurd*innen gesäubert und dem Boden gleichgemacht wurde
  2. die Auslieferung der Kurd*innen an Assad
  3. Kontrollübernahme durch Russland
  4. Besetzung von Energieanlagen (Gas, z.B. in Deyr el Zor) durch die USA
  5. eine durch eine weitere kurdische Autonomie nicht beunruhigte türkische Innenpolitik; konkret zur Innenpolitik:
    1. Aufschiebung der Partei-internen Diskrepanzen der AKP
    2. Beiseite-Schiebung der Idee der Gründung einer neuen konkurrierenden Partei durch die Ex-AKP Funktionär*innen
    3. Blockierung der Erhöhung kritischer Stimmen gegen die politische Unterdrückung der HDP-Politiker*innen
    4. Stärkere Unterdrückung kritischer und oppositioneller Medien
    5. Ablenkung von der ökonomischen Krise im Land (Inflationsrate April 2019: bei ca. 43 Prozent)

Es haben profitiert die Waffenlieferant*innen, die Nutznießer einer Kriegsökonomie und abermals die geostrategischen Interessen globaler Akteure, allen voran die USA.

Manche Journalist*innen erklären den Syrienkrieg zunächst für beendet, doch die Stellvertreter*innenkriege der globalen Akteur*innen werden in Wirklichkeit nie ein Ende finden, solange wir uns medial ständig ablenken und den gesamten Diskurs stets von diesen bestimmen lassen, bis ein neuer Krieg ausbricht. Es gilt die internationale Solidarität zu stärken, um die kritischen Stimmen in der Türkei und im Nahen Osten zu stärken und zu fördern. Die Kritik in der Türkei reicht aktuell nur bis zur Forderung der Dialogaufnahme der Türkei mit Syrien, zur Findung einer gemeinsamen Lösung, wie dies zu Zeiten des Abschlusses des Adana Abkommens im Jahre 1999 unternommen wurde. Allerdings müssten im Sinne der internationalen Solidarität, Gerechtigkeit und des Friedens folgende Forderungen laut und entschlossen auf den Tisch gelegt werden: Alle (die USA, die EU – allen voran Frankreich, der Iran und die Türkei) sollten ihre militärischen Stützpunkte und Militärtruppen abziehen und aufhören in die Entscheidungen der syrischen Völker zu intervenieren!

Nach dem Zweiten divide-et-impera Krieg werden die Kriege außerhalb des globalen Westens in der Instrumentalisierung von Stellvertreter*innen ausgetragen, während sich im globalen Westen die Konflikte und Kämpfe in anderen Formen weiterfortsetzen. Die Protestbewegungen der ausgebeuteten werktätigen Klassen in Lateinamerika, die gegen den Klassenkampf von oben in Form neoliberaler Kürzungen ihrer sozialen Rechte auf die Straße gehen und die autoritäre Verteidigung kapitalistischer Ausbeutung und Asymmetrien bekämpfen, leben uns womöglich das vor, was mit der immer tieferen Dezimierung der sozialen Errungenschaften, morgen vor unseren Türen in Europa stehen wird.

Die neoliberalen Angriffe zeigen sich in verschiedenen Weisen und vielfältig in unterschiedlichen Regionen der Welt. Es stellt sich die Frage, wie die Achsen internationaler Solidarisierung sozialer Bewegungen gebildet, entwickelt und gefördert werden können? Ein Anfang könnte es sein, den Durchblick zu bewahren und zu erkennen, dass diese Angriffe egal ob kulturell bis hin zu sozioökonomisch gefärbt einen zentralen Ausgangspunkt haben, nämlich die Profitmaximierung auf Kosten von Menschen und Leben insgesamt. Aus dieser Perspektive gesehen sind insbesondere politische Zusammenschlüsse von Bedeutung, die soziale Bewegungen strategisch, methodisch sowie inhaltlich unterstützen können.

Eine Strategie, die alle diese sozialen Bewegungen vereint ist gegenwärtig noch ausständig. Das bestehende System arbeitet mit hierarchischer Kategorisierung und Polarisierung von gesellschaftlichen Gruppen. Demgegenüber wird es wichtig sein, die Solidarisierungsachsen zu stärken. Es ist zu begrüßen, dass z.B. lateinamerikanische Aktivist*innen, Menschen und Politiker*innen sich mit Rojava solidarisieren und umgekehrt. Viel wichtiger und bedeutender wird es allerdings sein, wenn Aktivist*innen, Menschen, Organisationen und Politiker*innen des globalen Westens sich mit dem Thema befassen, zumal die Diskurse und Paradigmen effektiv von den Zentren und Entscheidungsträger*innen ihrer Lebensräume ausgehen. Ihre Solidarisierung wird zunächst die Kritik und den Widerstand gegenüber den eigenen Vermögenden, Wohlhabenden und Herrschenden kurz eigenen Bourgeoisien auszuüben sein, wie dies gegenwärtig in Libanon, im Irak, in Chile etc. passiert. Diese Länder bekämpfen ihre eigenen Entscheidungsträger*innen und wir müssen uns überlegen, wie wir unsere Entscheidungsträger*innen und Reichen herausfordern können. Aktuell stellt sich z.B. die Frage, wie und wie lange sich europäische Staaten noch als „sozial“ bezeichnen können bzw. wie soziale sind sie und können sie sein, wenn sie z.B. wie in Österreich über 300.000 Millionär*innen haben und nur ein Prozent der Österreicher*innen allein über vierzig Prozent des Vermögens verfügen während über eine Million Österreicher*innen, Alleinerziehende, Pensionist*innen und Kinder an der Armutsgrenze leben..?

zeynemarslan

29.10.2019

Fotocredits: Amerika 21, derstandard, orf, common dreams

kaynak: https://www.zeynemarslan.com/rojava-ein-kollateralschaden-in-den-augen-und-im-vorhaben-imperialistischer-maechte/

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